Sep 02

Neues zum barrierefreien Fernsehen

Am 14. Juli 2015 trafen sich die norddeutschen Schwerhörigenverbände beim NDR zum  regelmäßigen Erfahrungs- und Meinungsaustausch. Es handelt sich keineswegs um eine Alibiveranstaltung, auf der wir die Aktivitäten des NDR nur zur Kenntnis nehmen, ohne selbst Einfluss nehmen zu können. Dass der NDR innerhalb der ARD die Federführung übernommen hat und den Ausbau eines barrierefreien Rundfunkangebots pusht, ist nicht zuletzt unserem Einfluss zuzuschreiben. Hilfreich ist dabei die UN-Behindertenrechtskonvention, obwohl die Rundfunkanstalten sie formalrechtlich für sich nicht als bindend betrachten. Aber sie sind sich inzwischen bewusst, dass sie nicht ins Hintertreffen geraten dürfen, wenn es um die Teilhabe von behinderten Menschen geht.

Wir Schwerhörigen und Ertaubten haben zwei Forderungen an die Rundfunkanstalten, nämlich die Untertitelung von Fernsehsendungen und die nicht von Störgeräuschen beeinträchtigte Sprachverständlichkeit. 

Noch vor wenigen Jahren hatten wir uns kaum getraut, eine 100-prozentige Untertitelung aller Fernsehsendungen in unseren Forderungskatalog zu schreiben. Inzwischen dürfen wir zugeben, dass die öffentlich rechtlichen Rundfunkanstalten geliefert haben. Im Hauptprogramm der ARD werden inzwischen weit über 90 % der Sendungen untertitelt, im Regionalprogramm des NDR sind es drei Viertel. (siehe Grafik).

Es ist nach meiner Meinung unbestreitbar, dass neben dem quantitativen Ausbau auch die Qualität zugenommen hat. Dennoch bekomme ich in Gesprächen mit, dass viele Wünsche noch offen sind. Am besten funktioniert die Untertitelung bei vorgefertigten Sendungen, wie Filme und Dokumentationen. Problematisch wird es bei Live-Sendungen, wobei nach meinem Eindruck die Untertitelung bei Live-Zuschaltungen in Nachrichtensendungen inzwischen ebenfalls den Ansprüchen genügt. Was im Argen liegt, ist die Untertitelung bei Talk-Shows und Unterhaltungssendungen. Hier stoßen die Anstalten auf technische Grenzen.

Auf unserem Treffen mit dem NDR ist mir einmal mehr klar geworden, dass die Rundfunkanstalten auf das Feed-back von Ihnen, den Betroffenen angewiesen sind. Anregungen und Kritik von Ihnen sind umso hilfreicher, je konkreter sie sind. Vor einiger Zeit hatten wir die Mitglieder des Vereins gebeten, ein Untertitel-Tagebuch zu führen. Die Resonanz war erfreulich und für die Rundfunkanstalten hilfreich.

Ich möchte Sie herzlich bitten sich wiederum die Mühe zu machen: Schreiben Sie sich auf, wenn Sie Beanstandungen haben und senden Sie Ihre Kritik per Post oder E-Mail an den BdS. Wir werden Ihre Anliegen bündeln und mit unseren Kommentaren dem NDR zukommen lassen.

Dabei sollten Sie den Tag der Sendung, den Sender und die Sendung vermerken und Ihre Beanstandungen konkret formulieren. Scheuen Sie sich nicht, immer wieder zum Stift zu greifen. Und: Senden Sie gelegentlich auch Lob, denn es engagieren sich inzwischen nicht wenige Mitarbeiter der Rundfunkanstalten täglich darum, Sie zufrieden zu stellen.

Hatten die Öffentlich-Rechtlichen die Bedeutung von Untertiteln schon bald begriffen, so taten sie sich mit der Forderung nach Sprachverständlichkeit zunächst noch schwer. Bis beim NDR ein Toningenieur sich der Sache annahm, weil er feststellte, dass nicht nur Schwerhörige, sondern auch Normalhörende mit zunehmendem Alter immer weniger verstehen. Hier ist, um mit dem kürzlich verstorbenen Günter Grass zu sprechen, der Fortschritt eine Schnecke. Immerhin ist aber das Thema bei den Programm-Verantwortlichen angekommen. Es wurden inzwischen Richtlinien über den „guten Ton“ erarbeitet. Helfen wir dem Rundfunk  durch konstruktive Kritik auf die Spur.

Hans-Hagen Härtel